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AutorenbildJürgen Clauss

A110 1600S Gr. 3 "Lightweight 1972"


 

HISTORY

 

LEICHTBAU STATT HUBRAUM


Eine A110 1600S Gr. 3 war das Sportgerät der Wahl für Privatfahrer und Liebhaber der Marke, welche ihre Berlinette ambitioniert bewegen wollten. Sie war kein reinrassiger Rennwagen, eher der Sportwagen des "kleinen Mannes"

mit überschaubaren Ambitionen und beschränktem Budget.

Optisch war sie kaum zu unterscheiden von einer normalen Straßenversion. Das Werk hielt jedoch ein paar leckere Optionen bereit, um einer 1600S zu besseren Fahrleistungen zu verhelfen.

Eine leichte Karosserie stellte das Hauptmerkmal einer 1600S Gr. 3 dar, welche sich für den Betrachter nur durch einen gefühlvollen Daumendruck auf Hauben, Türen oder Dach identifizieren ließ. Ein präparierter Rennmotor und eine speziell auf den Einsatzzweck abgestimmte Getriebeübersetzung sollte einer Gr. 3 zu deutlich besseren Fahrleistungen verhelfen.

Ein Überrollbügel, 4-Punkt Gurte sowie je ein Batterietrennschalter am Armaturenbrett und Kotflügel vorne rechts, zählten zur Sicherheitsausrüstung. Zumeist wurde der Serien-Fahrersitz schon ab Werk gegen einen Schalensitz der Marke

Mod Plastia getauscht, um dem Fahrer besseren Seitenhalt in Kurven zu gewährleisten. Der Beifahrersitz verblieb in der Serienausführung, weshalb sich beim Anblick der Fahrgastzelle auf den ersten Blick ein disharmonisches, aber dafür sehr spezielles Bild ergab.


Aufgereiht wie an einer Perlenschnur warten vier gelbe Berlinetten vom Typ 1600S auf ihren nächsten Einsatz.

Der Schweizer Importeur fand scheinbar Gefallen an der Farbe Gelb und ließ seinen Kunden nur wenig Spielraum bei der Farbwahl. Die sonst so gebräuchliche Farbe Blau ist jedenfalls deutlich in der Unterzahl.

Das 2. Fahrzeug von rechts zeigt mein Fahrzeug beim Slalom in Frauenfeld (CH).



 


TRACKDAY HOCKENHEIM

JULI 1981


SISTERS IN CRIME


Der Anblick des Gespanns zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht. Eine traurig drein blickende Renault Estafette der dritten Generation dürfte trotz knapp 70PS aus 1289 cm³ Hubraum ihre liebe Mühe gehabt haben, die Alpine Huckepack vom Züricher Umland nach Hockenheim zu schleppen. Ein Hingucker war das Pärchen wohl sicher damals schon, umso mehr weckt diese hübsche Paarung wehmütige Erinnerungen an die gute alte Zeit. Es ist nicht überliefert, ob die beiden den Road Trip hin und zurück ohne Panne gemeistert haben. Die Alpine jedenfalls machte eine gute Figur auf dem Hockenheim Ring und ihr Lenker scheint in Punkto Fahrspaß ebenfalls nicht zu kurz gekommen zu sein.




 

SEARCH AND RESCUE

 

SCHEUNENFUND

APRIL 2019


Auf den ersten Blick fühlt man sich wie magnetisch von ihr angezogen. Das stumpfe Gelb hat von seiner Strahlkraft kaum verloren, die samtweiche Patina ihres Erstlacks begeistert, ihre Macken, Kratzer und Bläschen wirken gar geheimnisvoll und geben Zeugnis ihrer Leidenszeit. Schnell weicht jedoch der anfänglichen Begeisterung der Prozess der völligen Ernüchterung. Tritt man ein paar Schritte zurück, erweckt sie zwar den trügerischen Eindruck, man könne sofort mit ihr losfahren. Je mehr man sich ihr jedoch annähert, desto klarer offenbart sie ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten, welche den Traum von einer sofortigen Spritztour in weite Ferne rücken lässt.


Lange Zeit war sie am falschen Platz gestanden, ausgemustert Mitte der 80er Jahre, in einer Scheune notdürftig abgestellt und anschließend wohl vergessen und ihrem Schicksal überlassen. Über 35 Jahre stand sie am selben Fleck und die Feuchtigkeit der Lagerstätte haben ihr in vielerlei Hinsicht sichtbar zugesetzt.

Die Außenhaut ist übersäht mit kleinen Bläschen, welche sich aufgrund der Feuchtigkeit unter dem gelben Lack, jedoch nicht im Gel Coat gebildet hatten. Die Chromteile sind gespickt mit kleinen Roststellen und ein Blick unter das Fahrzeug bestätigt, was der Anblick von oben vermuten ließ. Viel sichtbare Korrosion und Oberflächenrost, mechanisch bewegliche Teile sitzen fest und auch das Glasfasergewebe hat hier und dort merklich gelitten. Die betagte Dame verlangt nach etwas Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit.



 

BLOOD SWEAT & TEARS

 

DEMONTAGE

MAI 2019


Nein! Es war keine Liebe auf den ersten Blick, aber eine wohlwollende Annäherung auf Raten, welche etwas Zeit in Anspruch nahm, bis wir zusammen fanden. Nach mehreren Monaten Bedenkzeit und zwei Besichtigungsterminen war ich dann doch ihren Reizen und Verlockungen erlegen und die Französin mit Schweizer Wurzeln begab sich zur Schönheitskur in meine Hände.

Verglichen mit den in den vergangenen Jahren durchgeführten Restaurationen, sollte diese doch diesmal ein Kinderspiel werden, so meine anfängliche Vorstellung. Nun, relativ gesehen war der Aufwand natürlich deutlich geringer, als der einer Body-Off Restauration. Nichtsdestotrotz traten dann doch deutlich mehr Wehwehchen zutage, als ursprünglich angenommen und die Fertigstellung zog sich dem entsprechend in die Länge.


Zu Beginn erhielt das Chassis und Fahrwerk samt Motor und Getriebe eine Grundreinigung mittels Trockeneis. Hernach wurden selbige komplett demontiert, Motor und Getriebe zerlegt und revidiert, mit Glasfasermatten Defekte am Unterboden laminiert und alle Anbauteile überarbeitet. Der Erstlack samt einzigartiger Patina sollte auf jeden Fall erhalten bleiben und wurde daher nicht angetastet.



 

REMONTAGE


VERSTECKSPIEL

Die Originalität aller Details dieser 1600S war geradezu sensationell. Hier waren alle Dinge noch an ihrem angestammten Platz wo sie hingehören und niemand hatte unsachgemäß an ihr herumgewerkelt, oder Veränderungen herbeigeführt.

Eine Berlinette in einer Scheune zu vergessen birgt zwar das Risiko von Standschäden, den Händen von Tunern und Customizern ist sie dadurch glücklicher Weise entkommen. Glück gehabt!



 

BACK ON TRACK

 

HELLO MRS. SUNSHINE

AUGUST 2020


Unzählige Sonnenblumen stehen wie Zuschauer am Wegesrand, scheinen gar ihre Köpfe nach ihr zu drehen, um sich an dem leuchtenden Gelb von "Mrs. Sunshine" auszurichten. Beinahe erweckt das Szenario den Anschein, dass Wälder und Blumenwiesen zu ihrem natürlichen Habitat geworden sind, so harmonisch fügt sie sich in ihre Umgebung ein. Ihren Charme und ihre Strahlkraft hat sie trotz ihrer einzigartigen Patina zweifelsohne nicht eingebüßt - im Gegenteil. Fissuren und Falten stehen ihr gut zu Gesicht und mit Anmut in Würde gereift, zieht sie nach wie vor begehrliche Blicke auf sich.



 

GET OUT AND DRIVE

 

GELB - DAS NEUE BLAU


Es ist anzunehmen, dass Jean Rédélé in Anlehnung an die Rennfarbe Frankreichs „Bleu de France“, seine Fahrzeuge zumeist in blau lackieren ließ. Nahezu ein jeder assoziiert die Alpine A110 mit der Farbe Blau, was wohl dem Umstand geschuldet ist, dass sie stets in dieser Farbe lackiert, auf den Renn- und Rallyepisten publik war und unzählige Preise einheimste.

Den Serienfahrzeugen allerdings, ließ Jean Rédélé mehr Freiraum und den Kunden gewährte er eine Palette bunter Farben zur Auswahl. Nicht wenige trauten sich und so rollten auch orange, rote, weiße und gelbe Versionen vom Band. Leider wurden nicht wenige dieser farbenfrohen Modelle im Zuge einer Restauration in späteren Jahren umlackiert, weshalb die Anzahl der blauen Fahrzeuge heutzutage dominiert. Ohne Zweifel, „bleu metallisè“ steht ihr perfekt, aber ist sie nicht auch ein Augenschmaus in Gelb?



 

CAR IN DETAIL

 

SIE FUNKELT WIE SONNENSCHEIN


Der Batterie Trennschalter auf dem vorderen rechten Kotflügel, die gelben CIBIE IODE Nebellampen, als auch die beiden unterschiedlichen Sitze, bezeugen ihre Ausnahmestellung im Vergleich zu einer Straßenversion.

Die A110 typischen Monoblock Gussfelgen, in Sandguss Technik gefertigt, weißen ebenfalls eine einzigartig patinierte Oberflächenbeschaffenheit auf und tragen maßgeblich zum "Rat Look" dieser 1600S bei. Im Übrigen werden eben diese Monoblock Felgen fälschlicher Weise von vielen A110 Besitzern oft mit einer Lackschicht überzogen. Ab Werk kamen diese jedoch stets unlackiert und aufgrund ihrer matten und rauen Sandguss Oberfläche gab es ab Werk keinen Felgenglanz. Lackieren? Für Puristen ein klares No Go!

Diverse verblichene Aufkleber aus der guten alten Zeit, ergänzen sich mit den Unzulänglichkeiten der Lackierung zu einem stimmigen Ensemble und lassen Nostalgiestimmung aufkommen. Welcher Fahrzeuglackierer wäre je in der Lage, eine solche spannende und Geschichten erzählende Kombination, künstlich zu erzeugen?

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